Die vorletzte Freiheit
Dokumentarfilm von Stefan Auch | Montage, Dramaturgie: Anna Theil | 65min | D 2018
Blauer Himmel, davor dicke Drahtseile. Eine langsame Bewegung der Kamera, das Geräusch eines Schalters, ein Tonband rauscht. Dann der sanfte Singsang einer Stimme, etwas entrückt. So beginnt der Film. Es sind Erinnerungen an seine Kindheit, die Otto Dov Kulka auf ein Tonband spricht. Erinnerungen an die Schönheit des Sommerhimmels über Auschwitz-Birkenau.
Über Jahrzehnte hat Kulka in Tagebüchern und Tonbandaufzeichnungen eine metaphorische Welt erschaffen. Eine Welt, die lange nur ihm zugänglich war. Der Film zeichnet die inneren Landschaften nach. Findet Bilder zu den Worten. Lässt eintauchen.
Lange ruhige Einstellungen begleiten die hypnotisch langsamen Erzählungen über die Metropole des Todes. Kulka in der Ödnis des Toten Meeres. Flirrende Hitze, salziger Dunst. Er spricht von Härte und Grausamkeit – und der Traumlandschaft auf der anderen Seite. Kulka allein im Meer der roten Polstersitze eines Theatersaals. Träume von der Unentrinnbarkeit und dem Entkommen. Ein Orangenhain, Bild der Hoffnung auf ein neues Leben. Im Inneren bleibt Kulka sein Leben lang Gefangener von Auschwitz, doch der blaue Himmel ist seine Zuflucht. Kulkas Landschaften sind auch ein Akt der Ermächtigung gegenüber dem Großen Tod. Poetisch und grausam verschmelzen Worte und Bilder im Film – und zeugen von der Last ebenso wie der Kraft des Weiterlebens.
Es ist ein Film über Auschwitz, über den Großen Tod. Ohne die Bilder von dort zu zeigen, rücken sie näher. Immer tiefer tauchen wir ein in die Welt des Otto Dov Kulka, folgen seinen Gedanken über die Unerklärlichkeit der Geschichte. Sein Denken und Schreiben dreht sich um die Frage „Was bedeutet Auschwitz?“. Es ist eine unermüdliche Frage. Eine Frage, die bleibt.